Von „am Wind“ und „im Hafen“

In Borgholm legen wir nach einem wunderschönen Abend-Törn an einer Heckboje, neben der niederländischen Yacht „Skuum“ aus Enkhuizen an.

Da Starkwind gemeldet ist, erkunden wir die Stadt. Borgholm ist eine lebhafte, touristische Stadt mit vielen Lädchen, Eisdielen, Supermärkten und einer netten, im Juni erst eröffneten Steinofenbäckerei. Wir machen eine kleine Wanderung durch einen schönen, sehr ursprünglichen Wald, der zu einer Schlossruine und dem Schloss Solliden führt, das der königlichen Familie als Sommersitz dient. Mit etwas Glück kann es einem sogar passieren, dass man in dem netten Café vor den Toren des Schlossparks direkt neben den schwedischen Royals sitzt.

Die Nacht verläuft etwas unruhig. Wir liegen im Schwell und sind dem Wind von vorne recht schutzlos ausgesetzt, so dass die Decision in gleichbleibendem Rhythmus immer wieder in die Leinen ruckt, was auch die angebrachten Ruckdämpfer nur geringfügig verbessern.

Am nächsten Morgen stellt Tanja fest, dass unsere Festmacher beinahe durchgescheuert sind. Wir müssen die Leinen also schnellstmöglich tauschen, um nicht im Radius der Heckboje durch den Hafen zu treiben.

Da weiterhin Starkwind gemeldet ist, bleiben wir noch einen weiteren Tag. Wir machen Besorgungen und waschen unsere Wäsche. Am Abend bekommen wir an unserer Backbordseite noch uns bekannte Nachbarlieger – Die FiftyFifty. So schnell sieht man sich wieder! Die Crew der Skuum und der FiftyFifty sind ebenfalls alte Bekannte und so kommt es, dass wir alle zusammen auf der FiftyFifty einen Anleger trinken und später am Abend sogar noch eine Exklusivführung durch die FiftyFifty, eine Nordship, erhalten. Eine tolle, sehr hochwertige und gut durchdachte Yacht.

Wir checken mehrere Wetterdienste für den darauffolgenden Tag, denn wir wollen nun doch endlich ein Stück vorwärts kommen, da wir spätestens am 5. Juli in Visby/Gotland sein wollen, damit Wolfgang seinen gebuchten Flug nach Hause (Zweitimpfung) antreten kann. Die Wetterberichte fallen sehr unterschiedlich aus. Wetterwelt sagt 4-5 Windstärken voraus, alle anderen Wetterdienste liegen mit ihren Prognosen etwas darunter. 4-5 Windstärken sind bei Amwindkurs kein Zuckerschlecken aber gerefft durchaus machbar. Unser Ziel, Byxelkrok, liegt in ca. 30 Seemeilen Entfernung, also bereiten wir uns auf einen Kreuzkurs und einen laaaangen Tag vor.

Wir starten bei 4 Windstärken, und ordentlich Welle, noch ohne Reff. Kurz nach der Ausfahrt Borgholm fängt es an zu regnen und wir schaffen es gerade noch, unser Ölzeug überzuziehen.

Der Wind nimmt ordentlich zu und hat nach drei Stunden auf 6 Beaufort aufgefrischt. Auch die Welle nimmt zu. Wir kreuzen uns, selbstverständlich inzwischen gerefft, tapfer in Richtung Norden bis die Welle eine Höhe von 1,50 Metern erreicht. Durch das Wasser machen wir fast konstant 6 Knoten Fahrt, werden aber von Welle und Strom deutlich gebremst. Als wir noch ca. 6 Seemeilen vor uns haben, wird Tanja seekrank und Wolfang versucht, unter Motor den direkten Kurs nach Byxelkrok zu fahren. Aber gegen Welle und Strom kommen wir so keinen Meter voran. Wolfang schlägt vor, abzubrechen und zurück nach Borgholm abzulaufen. Mit dem Ziel schon vor Augen, kommt das für Tanja aber nicht in Frage. Also setzen wir wieder die Segel und nehmen unseren Kreuzkurs wieder auf. Nach 11 Stunden und 54 tatsächlich gesegelten Seemeilen erreichen wir Byxelkrok und legen an einer der letzen freien Bojen an. – Reichlich müde, wie man sich sicher vorstellen kann.

Am darauffolgenden Tag fahren wir mit Leihrädern an die Nordspitze Ölands (Norra Udde mit dem Leuchtturm Lange Erik und Zauberwald „Trollskogen“). Eine gelungene Abwechslung! Draußen auf See liegt dichter Nebel und wir stellen uns die Frage, ob nun Windstärke 6 + 1,50 Meter Welle oder dichter Nebel mit weniger als 50 Metern Sicht die besseren Segelbedingungen sind. Am Abend diskutieren wir genau diese Frage an Bord der Decision mit der Crew der FiftyFifty, die sich durch den Nebel nach Byxelkrok gekämpft haben.

Am nächsten Morgen hat sich die See beruhigt; weder Welle, noch Starkwind oder Nebel. Allerdings kommt der Wind mal wieder aus der Richtung, in die wir aufbrechen – (Nord-) Ost. Wir werfen den Motor an und fahren in Richtung Visby. Zwischendurch können wir immer mal wieder die Segel setzen und müssen dabei noch nicht einmal allzu stark kreuzen, da der Wind zu unseren Gunsten in Richtung Norden dreht.

Wir sind früh genug in Visby, um noch einen Abendspaziergang durch die wunderschöne Mittelalterstadt zu machen.

Der nächste Tag steht im Zeichen „Reisevorbereitung“ für Wolfgangs Impfreise. Wolfgang brauch einen negativen Corona-Test, der hier auf Gotland gar nicht so einfach zu bekommen ist. Wir laufen also quer durch die Stadt zu einer privaten Arztpraxis, die den Corona-Schnelltest mit Reisezertifikat für schlappe 90 EUR anbietet. Unsere Nachbarlieger, die Crew der Opus, bieten Wolfgang sogar an, ihn am nächsten Morgen zum Flughafen zu bringen, da sie einen Mietwagen haben. Wie nett!!! Wolfgang nimmt das Angebot gerne an.

Wir müssen an den Haken

Stora Rör 27.06.2021

Natürlich haben wir uns es nicht nehmen lassen und haben uns von dem sehr leckeren Bäcker noch mal Brötchen geholt. Wir genießen das Frühstück bei bestem schwedischen Sommerwetter, in der Pflicht. Heute soll es nach Pataholm an eine Boje gehen. Doch zuvor muss noch schnell der „technische Check“ erfolgen: Bilge, Seewasserfilter, Motor und Getriebe prüfen. Doch bei der Kontrolle des Saildrive-Peilstabs kommt der Schock! Das Öl ist nicht wie gewohnt honiggelb sondern gleicht mehr einem Milchkaffee. -Wir haben Wasser im Öl-

Nach einer kurzen Besprechung wird uns klar, dass wir so unsere Reise nicht weitermachen können und eine Werkstatt mit Kran brauchen werden. Weiter nach Norden oder zurück nach Kalmar? Kalmar sind nur 11 sm und es gibt einen VP-Servicebetrieb. Auch wenn es schwerfällt geht es zurück nach Kalmar und so tuckern wir aus dem Hafen und setzen sofort Segel. Schließlich möchten wir das Saildrive nicht unnötig belasten. Der schwache Südwest bringt uns aber doch recht flott wieder zurück nach Kalmar. Noch unterwegs erreicht uns eine SMS der HAPPY OUR2. „Fahrt ihr zurück nach Kalmar?“ – Ja leider antworten wir…

Wir bekommen von der HAPPY OUR2 noch zahlreiche Tipps und Adressen von weiteren Betrieben. Denn schließlich ist es Sommer in Schweden und viele Unternehmen haben zu oder laufen auf „Sparflamme“ und so ist es ungewiss, ob wir bei der Kalmar Marina überhaupt Erfolg haben. Auch Cecilia, eine Maxi84 Eignerin aus Stockholm, bietet uns sofort Hilfe an und stellt sogleich eine Anfrage in einer schwedischen Facebook-Gruppe.

Kalmar 28.06.2021

Pünktlich um 8:00 Uhr stehen wir vor der Tür von Kalmar Marina. Wir sind der zweite Kunde und erklären sogleich unser Problem. Nach einer kurzen Rücksprache mit dem Techniker ist es klar; es wird wohl der Simmerring sein. Doch leider wird auch direkt klar, dass dieses Ersatzteil nicht auf Lager liegt. Jedoch die gute Nachricht ist, dass dieses in Göteborg verfügbar ist und am nächsten Tag geliefert wird. Wir vereinbaren, gleich noch die Opferanoden mit tauschen zu lassen.

Zugleich sind wir „happy“, dass wir Aussicht auf eine schnelle Reparatur haben, doch auch etwas skeptisch, ob dies wirklich so reibungslos funktioniert.

Den restlichen Tag verbringen wir mit einem Spaziergang und Wolfgang steht noch eine Stunde bei Telia an, um eine Halebop Telefonkarte zu kaufen. – Die Schweden haben irgendwie viel Zeit und Geduld- Keine Meckern und Vordrängeln.

Kalmar 29.06.2021

Um 13:09 Uhr klingelt das Telefon und Fredde von der Kalmar Marina ist dran. Das Ersatzteil ist da und wir können sofort zum Kran fahren.

Wir packen alles zusammen und legen ab. 15 Minuten später legen wir an den übergroßen Reifen neben dem gelben Kran an. Es ist etwas schwierig, die Fender so zu platzieren, dass wir nicht allzu viele schwarze Streifen bekommen.

Fredde begrüßt uns und sofort wird der Kran gestartet- Das Abenteuer beginnt! Bei frischem Wind von der Seite schwingt die Decision ordentlich in den Gurten. Aber alles geht gut!

Wir werfen noch einen Blick auf des Unterwasserschiff, alles bestens, und gehen in die Stadt. So gegen 16 Uhr, meint Fredde, werden sie fertig sein.

Wir bummeln durch die Stadt und essen noch ein Eis. Beim Warten am Hafen plaudern wir noch mit unseren Nachbarliegern von der FiftyFifty, welche gerade auf ihre Wäsche warten. Spontan bieten sie uns sogar ihre freie Kabine an, sollte die Decision heute nicht ins Wasser kommen.

Um 17:01 Uhr klingelt das Telefon und Fredde sagt, dass alles fertig sei und wir kommen können. Puhh das hört sich gut an!

Fredde zeigt uns direkt einige Bilder und erklärt uns, was gemacht wurde. Wir sind sehr erleichtert, dass wohl alles funktioniert hat.

Wir passieren nur unter Genua nun zum dritten Mal die Ölandbrücke und nutzen den guten SW um nach Borgholm zu segeln. Denn für die nächsten Tage ist die Wetterprognose eher schlecht:-(

Epilog: Trotz dieses ärgerlichen Zwischenfalls sind wir doch positiv gestimmt und zugleich erfreut über die vielen Reaktionen und Unterstützungen. Daher möchten wir uns bei der HAPPY OUR2 und Cecilia für die tatkräftige Unterstützung bedanken. Bei der Crew der FiftyFifty für das spontane Angebot der Kabine. (Hoffentlich trifft man sich noch mal) Auch bei Kalmar Marina und insbesondere Fredde für die kurzfristige Reparatur. Jedoch auch bei Volvo Penta, welche für ein 40 Jahre altes Saildrive immer noch Ersatzteile vorhalten. (In der Automobilindustrie undenkbar!)